Sternenkind Lara (6 Monate) - erzählt von Stephanie, 33, Thüringen

Sternenkind Lara (6 Monate) - erzählt von Stephanie, 33, Thüringen

Lara kam am 27.11.2021 als scheinbar gesundes Mädchen zur Welt. Nach ein paar Stunden verließen wir den Kreissaal und fuhren nach Hause.

Doch Lara trank nicht so gut. Bei der U2 nach 5 Tagen war ihre Herzfrequenz dann viel zu niedrig. Also wurden wir stationär aufgenommen. Sie hatte immer wieder Sättigungsabfälle, brauchte Infusion und Wärmelampe. Nach 5 Tagen durften wir wieder nach Hause. Lara trank weiterhin schlecht und wir kämpften jeden Tag damit, dass sie ihre Menge schafft. Außerdem schlief sie viel und nahm nicht genug zu. Irgendwann fing sie dann auch noch an, übermäßig viel zu spucken.
Im April wurden wir deshalb erneut stationär aufgenommen. Ihr Zustand war schlecht.
Es wurde eine Blasenentzündung diagnostiziert. Außerdem MRT, EEG und eine ausführliche Stoffwechseldiagnostik durchgeführt. Nach Infusion und Antibiose konnten wir nach ein paar Tagen wieder nach Hause. Das Spucken käme von der Blasenentzündung, so die Vermutung der Ärzte.
Jedoch hatte sie 3 Wochen später noch ihr Entlassungsgewicht. Sie bekam nun endlich eine kalorienreiche Spezialnahrung. Doch die spuckte sie aus und normale Pre-Milch wollte sie auch nicht mehr trinken. Als dann auch noch die Windeln trocken blieben, ging es erneut ins Krankenhaus. Dort stellte sich dann heraus, dass sie wieder eine Blasenentzündung hatte. Außerdem erbrach sie nun teilweise blutig und das Adenovirus wurde nachgewiesen. Es waren Anfänge einer Lungenentzündung erkennbar und plötzlich wurden die Leberwerte schlecht – sofortige Verlegung in eine andere Klinik auf ITS. Da sie schon überall zerstochen war, musste ein Zugang operiert werden. Dieser Eingriff verlief, trotz schlechter Gerinnungswerte, gut.
Es wurde viel untersucht. Doch noch immer wusste keiner, was sie hat.

Am 01.06. gab es dann eine erste Diagnose. Wir erfuhren, dass sie eine unheilbare Stoffwechselerkrankung hat. Eine Mitochondriopathie. Welche Erkrankung genau, untersuchten bereits Gentests. Doch bis zu dem Ergebnis würde es noch etwas dauern. Das, was ich schon gespürt hatte, war ausgesprochen. Lara wird das alles hier nicht überleben. (Später erfuhren wir, dass es sich um vererbte Genveränderungen im POLG-Gen handelt. So neu und selten, dass die Erkrankung keinen Namen hat.)

Am 03.06. 2022 ging es ihr plötzlich noch schlechter. So entschieden wir uns für eine palliative Begleitung zuhause. Wir verließen das Krankenhaus am nächsten Tag mit einem todkranken Baby, um die letzten Tage zuhause als Familie zu verbringen. Doch dazu sollte es nie kommen. Lara starb im Auto auf dem Heimweg.



Was hat dir nach deinem Verlust Halt gegeben?

Der größte Halt in dieser schwierigen Zeit war unsere größere Tochter. Sie brauchte eine Alltagsstruktur. Sie brauchte Essen und Kleidung. Da ging es nicht, dass wir nur im Bett lagen. Durch sie mussten wir weiter machen.
Außerdem hatte ich Unterstützung durch eine Vertrauensperson in meinem Umfeld, die ich jederzeit anrufen konnte, wenn es mal wieder schlimm war. Die alles liegen ließ, wenn mein Name auf dem Telefon stand. Diese Gespräche taten mir immer sehr gut.
Und schließlich half mir das Schreiben. Anfangs nur für mich, später dann auch öffentlich. Schreiben ist bis heute mein Ventil, wenn die Trauer mal wieder ganz groß ist.

Welche Auswirkungen hatte der Verlust auf dein Leben?

Gesundheitliche. Durch den Verlust, aber vor allem durch die Erlebnisse vorher im Krankenhaus, bin ich noch immer nicht richtig belastbar. Es gibt immer noch Zeiten, wo mich alles anstrengt und ich mich kaum konzentrieren kann. Dies führt auch dazu, dass ich beruflich noch immer keine Perspektive habe. Meinen alten Beruf kann ich derzeit noch nicht wieder ausüben.
Aber es hatte auch positive Auswirkungen. Ich bin viel dankbarer geworden. Ich freue mich über die kleinen Dinge und habe gelernt auf mich zu achten. Was mir gut tut und was ich brauche. Mehr als zuvor, weiß ich, dass ich meiner inneren Stimme vertrauen kann.

Wie hat sich deine Trauer über die Zeit verändert?

Es ist nun ziemlich genau 1 Jahr her. Anfangs waren alle Gefühle sehr intensiv. Ich habe mich und meine Gefühle erst einmal kennen lernen müssen. Und ich habe herausfinden müssen, was mir in schwierigen Momenten hilft. Das weiß ich nun und kann es in Akutsituationen anwenden. Die Trauerwellen treffen mich nicht mehr so unvorbereitet. Es wirft mich nicht mehr so stark und nicht mehr so lange aus der Bahn.
Auch kann ich nun wieder Freude und Glück erleben. Anfangs war das undenkbar.

Was ist das stärkste Gefühl, oder das häufigste das du spürst, wenn du an dein Baby denkst?

Das kommt auf meine Verfassung an. Es gibt Tage, da überwiegt ganz klar die Dankbarkeit. Ich bin sehr dankbar für unsere gemeinsame Zeit und dafür, was ich durch dieses Erlebnis gelernt habe. Und dann gibt es Momente, da überwiegt die Traurigkeit und die Sehnsucht. Da ist das Vermissen sehr groß. Das Vermissen von gemeinsamen Momenten, die wir früher einmal hatten und das Vermissen eines gemeinsamen Lebens mit ihr.

Fühlst du dich mit deinem Baby verbunden?

Ja! Nicht immer gleich stark, aber ja. Sie begleitet mich weiter auf meinem Weg und ist ein Teil von mir. Ich spreche mit ihr und fühle mich ihr manchmal sehr nahe. An manch anderen Tagen spüre ich keine Verbindung. Aber auch das ist okay.

Was hättest du dir nach deinem Verlust von deinem Umfeld gewünscht?

Dass man mich darauf anspricht. Oder wenigstens normal behandelt. Doch oft sind mir Menschen begegnet, die schweigend wegschauten oder mich mit Blicken musterten.
Von manchen Menschen im näheren Umfeld hätte ich mir mehr Interesse gewünscht. Ein ehrliches Interesse, wie es uns geht. Menschen, die nachfragen und die Antworten aushalten können.
Und dass Lara weiterhin ein Teil unserer Familie bleibt – auch für das Umfeld. Dass über sie gesprochen wird oder sie zu Feiertagen einbezogen wird.

 

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Wenn ihr mehr über Stephanies Weg wissen wollt, schaut auf ihrer Homepage sternenkindliebe.de vorbei.